Udo Steinberg – längst vergessener deutscher Held in der Geschichte des FC Barcelona

Nicht viele Deutsche schafften es in die ruhmreiche Historie des FC Barcelona, einigen wenigen gelang es jedoch, sich nachhaltig in die Geschichtsbücher der Katalanen einzutragen.

Udo Steinberg - vergessener Held des FC Barcelona

So z.B. der Berliner Udo Steinberg, der sich – man mag es kaum glauben – als allererster Spieler überhaupt, Torschütze des El Clásico nennen darf. Beim 3:1-Sieg am 13. Mai 1902 gegen den damals noch FC Madrid (die Umbenennung in Real Madrid erfolgte erst 1920) heißenden Hauptstadtklub, traf Steinberg nicht nur zum 1:0, sondern gar per Doppelpack. Tragische Beinote dieser Historie: Jahre später verstarb der einstige Stürmer sehr plötzlich – und zwar an der Spanischen Grippe in Madrid.

Wer war dieser Udo Steinberg?

Zu Ehren der Volljährigkeit und der damit verbundenen Thronbesteigung des damaligen spanischen Thronfolgers Alfonso XIII, lud der Madrid Foot Ball Club die angesehensten Mannschaften Spaniens zu einem Wettstreit in die Hauptstadt ein. Das beste Team des Landes sollte gekürt werden. Mit der Zusage auf sich warten ließ nur der damalige Meister der Hafenstadt Barcelona, der FC Barcelona. Der Vorstand erachtete die Reisestrapazen von 600 Kilometer als inakzeptabel.

Das erste Spiel gegen Madrid

So war es Udo Steinberg schon zu verdanken, dass es überhaupt zum ersten Spiel zwischen Madrid und Barcelona kam. Der deutsche Immigrant, 1877 in Berlin geboren, will die Basken aus Bilbao, die sich im Vorfeld des Turniers selbst als beste Mannschaft Spaniens bezeichneten, eines Besseren belehren. Steinberg verfügte über die finanziellen Mittel und bot an, die Kosten für diejenigen Mannschaftskollegen vorzuschießen, denen das nötige Kleingeld für die Reise fehlte. Somit war die Turnier-Teilnahme des FC Barcelona beschlossene Sache.

Die ersten Tore der Copa del Rey

Im Halbfinale der ersten echten – wenn auch nicht anerkannten – Copa del Rey, erzielte der Mittelstürmer die ersten beiden Tore. Das Spiel war gleichzeitig auch das allererste Pflichtspiel der Madrilenen überhaupt. Auch im Finale gegen die Basken aus Bilbao traf Steinberg. Allerdings ging das Spiel mit 1:2 verloren und vor allem daran mag es wohl liegen, dass der Goalgetter selbst beim FC Barcelona vollkommen in Vergessenheit gerät.

Erst nachdem an der Sächsischen Hochschule Mittweida 2013 ein Hinweis einging, dass wohl einer ihrer Absolventen eine sehr wichtige Rolle in den Anfangsjahren des katalanischen Weltklubs gespielt habe, kam der Stein ins Rollen und die Recherchen der Hochschule nach dem vergessenen Helden begannen. Nach 3 ½-jähriger Spurensuche hatte man schließlich um die 40 Aktenordner beisammen und das Leben des Sportpioniers in einem knapp 300-seitigen Buch zusammengefasst („Zum Leben und Wirken von Udo Steinberg„).

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Udo Steinberg – Ingenieur und Sportpionier

Schon während seiner Schulzeit war Udo Steinberg ein begeisterter Fußballer und gründete bereits 1892 seinen ersten Fußballverein in Berlin. Von 1895 bis 1900 studierte Steinberg Elektrotechnik und Maschinenbau an der Sächsischen Hochschule Mittweida und auch während dieser Zeit setzte sich sein sportlicher Enthusiasmus fort. 1896 gründete er den Mittweidaer Ballspiel Club und das Stadion, welches er für den Club plant, verfügt nicht nur über eine überdachte Tribüne und Platz für mehr als 1000 Zuschauer, sondern es ist gleichzeitig auch das erste, welches unter Vereinsbesitz geführt wird.

Auch die Mannschaft hat Klasse. Mehr als zehn Studenten sollten später für die größten Klubs Europas spielen. 1899 sollte seine letzte Mitbegründung folgen. Aus der Chemnitzer Britannia ging später der Chemnitzer FC hervor. Auch, als es am 28. Januar 1900 in Leipzig zur Gründung des Deutschen Fußball Bundes DFB kam, hatte Steinberg ein gewaltiges Wörtchen mitzureden. So schrieb er nicht nur das Protokoll, sondern auch erst auf seinen Dringlichkeitsantrag hin, rangen sich die Delegierten zum Gründungsbeschluss durch.

Einer der wichtigsten Akteure in Barcas Anfangsjahren

Dass Steinberg später in Barcelona landete, war kein Zufall. Bis zu 50 Prozent ausländische Studenten studierten seinerzeit in Mittweida. Die weltweite Vernetzung war also schon damals sehr groß. Steinberg hatte als Ingenieur und Repräsentant in Barcelona einige deutsche Unternehmen vertreten und Otto Maier, einer der Gründer des FC Barcelona, war ein Freund aus alten Berliner Zeiten. Zwar gab es von Seiten des damals alles überstrahlenden Schweizers Hans Gamper zunächst Zweifel an der sportlichen Tauglichkeit Steinbergs – Gamper sah Steinberg als etwas zu beleibt an – diese legten sich aber bereits mit dem ersten Spiel, auch wenn dieses mit der zweiten Mannschaft des FC Barcelona mit 0:4 gegen den Stadtrivalen Espanyol verloren ging.

Die erste Fußballschule des FC Barcelona

Steinberg entwickelte sich zu einem der wichtigsten Akteure in der Anfangszeit des FC Barcelona. Zwischen 1901 und 1910 machte er mehr als 65 Spiele für die Katalanen, in welchen er über 60 Tore erzielte. Im März 1902 übernahm er außerdem die Leitung der ersten Fußballschule des Vereins, also quasi dem Vorläufer der legendären Talentschmiede „La Masia“. 14 Jahre lang hatte Steinberg diese Rolle inne. Schon früh und wohl früher als die meisten anderen, erkannte Steinberg die Wichtigkeit der Jugend für diesen Verein. Er war ein Meister darin, Spielzüge zu kreieren, Standard-Raffinessen einzuüben und etwaige körperliche Nachteile durch Techniktraining wettzumachen. Steinberg hat dem Sport eine ingenieurtechnische Perspektive verpasst und Erkenntnisse praktisch angewendet.

Darüber hinaus war Steinberg zwischen 1902 und 1907 auch noch Sprecher des Vorstandes des FC Barcelona, engagierte sich als Sportjournalist und ging seinem Beruf als Ingenieur nach. 1904 gründete er ein Ingenieurbüro in Barcelona und war in der Folgezeit Inhaber von mehreren Ingenieurpatenten. Ab 1906 wirkte er an Barcelonas Straßenbahnbau mit und 1916 entstand unter seiner Leitung die Firma „El mundo Deportivo“.

Im Alter von lediglich 42 Jahre verstarb Steinberg sehr plötzlich an der Spanischen Grippe in Madrid. Dass ihm der persönliche Ruhm verwehrt blieb, dürfte ihn nicht sonderlich gestört haben. Er war als eine Art Sportdirektor immer derjenige, der Entscheidungen suchte und auf die operativen Aufgaben aus war. Das Wissen um die großen Erfolge der Messis, Iniestas, Xavis und allen anderen zahlreichen Barcelona-Talenten, dürfte für ihn wohl die größte Erfüllung gewesen sein.

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